Armer, alter Kater

20.Mrz.2016 von

Der alte Kater macht einiges mit. Nicht nur, dass er Bluthochdruck und Schilddrüsenprobleme hat, eine Nacht im Tierspital verbringen musste und völlig verstört, weil er zum ersten Mal in seinem Leben in einem Käfig übernachten musste, tagelang nichts gefressen hat, ist zu seinem Leidwesen im Nachbarhaus ein riesiger, junger, schwarz-weißer Rivale eingezogen. Carlo. Ein frecher Kerl, der aus einem Haus in der näheren Umgebung auszog, weil dort zu viele Katzen leben und sich unseren Herrn Nachbarn als neuen Besitzer aussuchte.

Der bereits pensionierte Herr Nachbar lebt zurückgezogen, ohne Familie, zutiefst misanthropisch, Haus an Haus mit uns. „I wü kane Haustiere“ schreit er an dem Tag, als Carlo vor seiner Türe steht. Carlo versteht noch nicht so genau, was er meint und bleibt. „Des stresst mi, des Viech“ brüllt er tags darauf über den Zaun und stellt Carlo gleichzeitig  ein Futterschüsserl hin. Carlo versteht immer noch nicht ganz, wie er es meint, frisst und bleibt. „Waun der net boid vaschwind, ruaf i des Tierschutzhaus au“ schreit er aufgebracht und richtet Carlo einen Schlafplatz mit Styroporplatten ein, dass er nicht friert. Carlo denkt, der ist lieb der Mann, da geh ich nicht mehr weg. „Der Asylant mocht mi no fertig“ schreit er noch ab und zu, wenn er rauchend am Fenster lehnt und Carlo auf Schritt und Tritt beobachtet ….

Das alles ereignete sich vor ein paar Monaten. Mittlerweilen hat der Herr Nachbar eine Katzenklappe eingebaut, ist unendlich stolz, dass Kater Carlo sofort geschnallt hat, wie die funktioniert und versorgt uns fast täglich mit Informationen wo welches Katzenfutter am günstigsten zu kaufen sei.

Carlo ist glücklich, zufrieden und hat enorm an Gewicht zugelegt. Immer wieder streift er rund um unser Haus um auszutesten, ob er auch dieses okkupieren könnte. Kater Franky ist stets auf der Hut und wirklich gestresst, auf seine alten Tage noch das Haus und den Garten gegen einen bladen, jungen Kater verteidigen zu müssen.

Vor zwei Wochen etwa sitz ich beim Morgenmokka, plötzlich höre ich ein ohrenbetäubendes Katzengeschrei! Ein Kampf von immenser Intensität spielt sich im Garten ab. Kurz, aber heftig. Ich laufe runter und öffne die Schiebetüre zum Garten …. und da kommt er schon, der arme, alte Kater …. ich seh das Entsetzen in Franky´s Blick und in Superzeitlupe schleppt er sich ins Haus, um sich für die nächsten Stunden zu verstecken.

Erst am Abend bemerke ich seine Wunden. Glaube an seine Selbstheilungskräfte und beschließe, nicht zum Tierarzt zu fahren. „Jössas, des tuat ma lad“ entschuldigt sich der Herr Nachbar, aus dem Fenster rauchend bei uns, als er vom Revierverteidigungskampf der Rivalen erfährt. Ja, so ist die Natur. Man kann nicht eingreifen.

Franky verkraftet die Wunden zwar relativ gut, ist jedoch sehr eingeschüchtert. Die ersten Tage nach dem Kampf gibt er mir deutlich zu verstehen, dass ich ihn nach Draussen begleiten und Schmiere stehen soll, wenn er seine Notdurft im Garten der netten Frau Nachbarin erledigt. Ganz schnell huscht er daraufhin wieder ins Haus, glücklich, dass er nicht kämpfen musste.

Nun ist es so, dass Frankys gleichaltrige Schwester Lola einen gänzlich anderen Charakter aufweist. So klein und zierlich sie ist, so selbstbewusst und selbstbestimmt marschiert sie durch ihr und unser Leben. Sie putzt und wäscht sich akribisch, entfernt jede noch so kleine Unebenheit an ihrem Körper und manchmal erbarmt sie sich auch für ihren Bruder. Der ist nämlich anders.

Es stört ihn nicht im Geringsten, wenn an seinen Pfoten Erde klebt, oder eine Spinnwebe zwischen seinen Ohren hängenblieb. So lässt er mich auch, was Lola nie und nimmer erlauben würde, seine Wunden untersuchen. Autsch! Die sehen nicht so gut aus …. getrocknetes Blut, verpicktes Fell, verkrustete, harte Stellen, die er sich allerdings ganz leicht selber entfernen könnte, wäre er Lola.

Franky hingegen bleibt ganz brav sitzen und lässt mich gewähren …. ich darf zupfen und picken, reissen und schneiden, untermalt von seinem lauten Schnurren. Liebevoll sieht er mich dabei an und ich denke er ist dankbar. Oder einfach nur: extrem verwöhnt? 🙂

Armer, alter Kater. Hast schon viel erlebt. Gemeinsam haben wir schon viele Wunden geheilt.

Doch eines muss ich dir schon sagen: deine Schwester ist gleich alt wie du und wirkt um Jahre jünger und vitaler? Wäre sie genetisch verwandt mit uns, hätte ich die Erklärung: die Frauen in unserer Familie sind selbst im hohen Alter fit und agil …. doch das ist eine andere Geschichte 🙂

 

 

 

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