Milano 2008

15.Okt.2012 von

 

Domenica, 10. Februar 08

 

Drei Frauen mittleren Alters, bestückt mit Lesebrillen, Köffer (ist das die Mehrzahl von Koffer?), Tasche mit Kristallluster, Tasche mit Sachertorte, Tasche mit Geschenken …. begeben sich auf eine Reise …..

 

Die Reise beginnt in Wien, Schwechat. Unter Gelächter erzähle ich Dorli und Gudi wie sich Liane und ich damals am Weg nach Berlin vor lauter tratschen am Flughafen verliefen …. und schwupps waren auch wir mindestens einen Kilometer in die falsche Richtung unterwegs.

 

Der Flug nach Bergamo war nach einer kurzen Diskussion über verflossene Männer und misshandelte Kinder flugs vorüber.

 

Bergamos Hauptbahnhof verfügt über KEINE Schließfächer, dafür verfügt unsere Reiseleitung signora Gudi über umwerfenden Charme und Geschäftssinn: sie bietet dem Portier des nächsten Hotels € 10,– für die stundenweise Aufbewahrung aller unserer Gepäckstücke! Genialer Schachzug!

 

Also marschieren wir nur mit Handtäschchen bestückt zur funicolare, die uns in die hübsche Altstadt bringt. Eine charmante, mittelalterliche citta´ mit unmöglich zu begehenden Pflastersteinen, netten Geschäften und uur leckeren Konditoreien.

 

Unsere Reiseleiterin sprintet im Höllentempo durch die Stadt, besitzt aber dennoch die Fähigkeit, alles zu registrieren, was rund um sie geschieht: zum Beispiel die alte Dame, die sich bäuchlings aufs Strassenpflaster stürzt.

Sozial, wie wir drei eben nun mal sind, schleppen wir die Alte zur nächsten Busstation, hieven sie in den Bus und versichern ihr glaubhaft, dass ihre Boxervisage sicher wieder einmal heilen wird …

 

Nach einer köstlichen Stehpizza kaufen wir noch ein paar sweeties und kehren auf einen aperitivo in ein nettes Pub ein.

 

 

Die nächsten Stunden im Zeitraffer: mit mindestens 100 km/h durch Bergamo-albergo-Lift rauf-Koffer holen-Lift runter-Bahnhof-Stiegen runter-falscher Bahnsteig-Stiegen rauf-in den Zug-Koffer verstauen-stinkendes Abteil-trotzdem sweeties vernascht-Milano siamo qui-raus aus dem Zug-treppauf-treppab-rüber-runter-rauf-runter-ume-obe-Lift-2.Stock-linke Tür- aaaaaahhhhhhhhh -wir fallen müde aber glücklich in der wundervollen Logis in die Betten!

 

 

 

 

Was ich heute sonst noch alles gelernt habe:

 

Mailand ist ein Schmelztiegel der Nationen

Strassenpflaster teilweise nicht begehbar

U-Bahnautomaten sind nicht so einfach zu durchschauen

Bergamo besitzt eine funicolare

Nicht jeder Bahnhof hat Schließfächer

Hej, ich muß gar nicht so oft Lulu wie die anderen Kinder

Unser Nachbar ist ein Ferrari

Es gibt 4 m2 große Steppdecken

Lasciamo stare heißt lassen wirs bleiben ….

 

 

 

 

Lunedi, 11. Februar 08

 

Nach einem opulenten Frühstück in unserer 4**** Herberge, machen wir uns auf den Weg nach Milano

Die Tagesreiseleitung – kurz TRL genannt – hat nun meine liebe Dorli übernommen, begabte Stadtführerin, kultiviert, kreativ und voller Geschichten.

 

Metro Porto Romana nach Missori. Wir schlendern bei Sonnenschein in Richtung duomo – kurz darauf stehen wir vor ihm, dem gotischen Meisterwerk aus Marmor!

 

Duomo Santa Maria Nascente! Hier stehen wir vor dir: Uschi und Dorli aus Wien!

 

Wir besichtigen den Innenraum des Doms und überlegen, was wir als Kinder alles gebeichtet haben.

Ein Spaziergang durch die Galleria führt uns direkt zu einem fast unscheinbar wirkenden Gebäude, mit umso berühmterem Namen: La Scala! Ein Blick auf den Spielplan bringt uns auf die famose Idee: wir besuchen eine Aufführung!

Diese wirklich gute Idee begiessen wir in der nächsten Bar mit einem fantastischen Stehcafe´. Der Kartenvorverkauf befindet sich unter dem Dom und voller Stolz verlassen wir den Keller mit zwei Karten für die Nachmittagsvorstellung: Flötenkonzert für Kinder, Jugendliche und alte, pelzbehangene Schabracken!

 

 

 

 

Die nächste Stunde tummeln wir uns am pittoresken Dach des duomo, die perfekte TRL von allen erklärt mir die herrliche Aussicht und wir bekommen von hier oben eine leise Ahnung, wie dieses Milano als Ganzes aussieht.

Nach kurzer Mittagspause im Sushiladen vom Rinascente, finden wir uns aufgeregt in der Scala wieder. So unscheinbar dieses Gebäude von außen ist, so wundervoll sieht es innen aus – das Konzert war beeindruckend.

 

Abends treffen wir unsere Abendreiseleitung Gudi zu hause auf eine „merenda“ und quatschen über den Tag.

Da wir in unserem apartamente quasi von Brieftauben abhängig sind, was die Information mit der Außenwelt betrifft (kein Radio, kein Fernsehen, kein PC, kein Internet, keine Tageszeitung) verfasst Gudi die tägliche Liste zur Beantwortung aller aufkommenden und aufkeimenden wichtigen Fragen wie:

 

Woher stammen Albert und Franz Doppler?

Welches Spielwarengeschäft führt Lancia Modellautos?

Welche ursprüngliche Bedeutung hat das Wort Religion?

Sind Graupen dasselbe wie Dinkel?

Hat Dr. Wunder schon den neuen Apparat in Betrieb?

 

Wir beschliessen den Abend bei einem „aperitivo“ in einer netten Bar und erfahren alles (?) von signora Gudruns Familien- und Beziehungsvergangenheit.

 

Skizze folgt.

 

 

GUDI                                                        RENAULT

Ben    + Johanna

 

Philipp der Maler

Philipp der Depressive

Fritz aus Wien

Ken der Ami und Psycho

Eric der Bauchredner

Mario di Como

Marcello

 

Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und auch die Reihenfolge stimmt glaub ich nicht ganz. Und wo gehört der Tanzlehrer rein? J fällt mir grad beim tippen ein …..

 

 

 

 

Was ich heute sonst noch alles erfahren habe:

 

Stehcafe´ ist billiger als Sitzcafe´

Die Scala hat 230 Logen

Strassenbahnen fahren nach irgendwo

Aperitivo bedeutet sozusagen happy hour: Einheitspreis für Getränke und Essensbuffet mit Plastikteller und –Besteck

Stefan Zweig war Freuds Freund und Bewunderer

Kirche ist nicht gleich Kirche

Religion ist nicht gleich Religion

Liebe ist nicht gleich Liebe

Wo liegt die Wahrheit?

Blumengeschäfte können wie Museen aussehen

 

 

 

Martedi, 12. Februar 08

 

3 Me a Milano: Mazoyer, Moser, Mandl

Mode, models, Maserati,

Essere Armani! Essere Moser! Essere Mazoyer! Essere Mandl!

 

Der Armanishop ist der Inbegriff von Dekadenz. Armani dolci: compriamo due pezzi di cioccolata a € 5,40 che vita!!??

 

Spätestens seit wir im quadri latero (Brera) flanieren verstehe ich die echte Bedeutung Mailands: ein riesiges Mode- und Designmuseum! Wir kommen aus dem Staunen und Lachen nicht heraus über Hüte, Schuhe, Klamotten, Brillen, Frisuren, Unmögliches und Mögliches.

 

Adesso faciamo una pausa a fuori unter einem „Schwammerl“, La vita e bella! Und staunen über all die schönen Menschen, die an uns vorüberziehen. Zitat Dorli: „ aber unsere Gudi ist die Schönere von di alle …..“

 

Gabelbart Fotoshooting. Wir erfahren, dass sich elegante Damen bei uns entschuldigen, weil sie mit hochhakigen Schuhen überknöcheln: „ scusate, questi tacchi alti sono belli ma molto scomodi!“ „ja, ja in Ordnung, darfst weitergehen J“

 

 

 

 

 

 

Ein kurzer Kaufrausch befällt uns und wir schleppen uns mit Sack und Pack nach hause.

Wir dürfen heute unsere Gudi von der Arbeit abholen!!!

Eine kleine Führung durch den Showroom von Bally gefällig?

 

Abends kochen wir zu hause Zucchinicremesuppe, essen Sushi, Caprese und fallen komplett überfressen ins Bett.

 

 

Was ich heute sonst noch alles gesehen und gehört habe:

 

Es gibt also keine 2-Tages Öffikarten?

Unzählige Models wandeln, stöckeln, tänzeln, trippeln und trappeln durch die Stadt

Auch Hunde werden hier gestilt (nicht gestillt)

Wie kann man mit diesen Schuhen gehen???

In manchen Designerläden muss man anläuten

Traumhafte Innenhöfe in denen man seltsamerweise nicht picknicken darf?

Banken, Banken, Banken

 

 

 

Mercoledi, 13. Februar 08

 

Das Frühstück ist soooo schön mit den Mädels in Milano!!! Es gibt so viel zu essen und soo viel zu erzählen und dann erwarten wir voller Spannung wie unsere Gudi wohl heute wieder aussieht: possiamo dicere: fantastico!

 

Castello Sforzesco ist sehenswert, ein imposantes Bauwerk mit parco sempione, der größten Grünfläche Milanos – poveri milanesi!

Das Netteste am Castello waren jedoch die Katzen im Burggraben, die haben sogar eine eigene Katzenmami, die sie füttert.

 

Dorli, die beste TRL von allen und ich marschieren durch die city in Richtung high tech, ein super Laden in einer alten Fabrik, der Weg dorthin war sehr interessant und schön: Corso Garibaldi, Gudis frühere Wohngegend, schöne alte Palazzi, Theater, nette Innenhöfe und wesentlich ruhiger als andere Teile Mailands.

 

Wir speisen und schlafen im Coin – und es war herrlich!

Zu hause versumpern wir drei fast im Bett – aber avanti! Wir gehen jetzt aus!

Für morgen schreibne wir unserer Gudi eine Entschuldigung und werden ein Sektfrühstück im Bett nehmen …J

 

NRL (Nachtreiseleitung) Gudi reserviert für aperitivo – der Abend beginnt feucht, fröhlich im „crash“ ich hab alle mit Weißwein gebadet. Rico stieß zu unserer Lesbenrunde und erwies sich als perfekter Gentleman, Chauffeur und Begleiter.

Der Abend, mein vorläufig letzter Abend in Milano klingt aus in der Bar vom Sheraton Majestic Diana bei einer Bloody Mary – sorry Rico, wir haben nur 3 Stockerl fürs Frühstück!

 

Was ich heute sonst noch alles bemerkt habe:

 

Autobushaltestellen sind nicht so gut beschrieben

Schoko-Birnen-Torten können fantastisch sein

2 Stadtpläne sind besser als einer

Kinderspielzeug Geschäfte sind rar

Bunte Strassenmistkübel

„Jazz 1980“

Autos parken in 2er Reihen und manchmal auch mitten auf der Straße

„palestre“ bedeutet Fitness Studio

Dorli bestellt ab sofort „Essen auf Rädern“

Danke Enricco für die Einladung!

 

 

 

Donnerstag, 14. Februar 08 (ich weiß nicht wie man jovedi schreibt?)

 

Valentino! Tag der Liebenden.

Letzte Familiengeschichten-Frühstücksrunde per me!

 

Dorli und ich sind unterwegs in Sachen: Feinkost, wir besuchen Peck und Garbagnati, den berühmtesten Bäcker Mailands. Bei GUCCI sehen wir zum Abschluss noch ein Herrenjacket cocodrillo um läppische € 36.500,– in der Auslage.

Es ist sooo herrlich bei Sonnenschein mit TRL Dorli durch die Stadt zu flanieren, espresso a fuori vis a vis dem duomo, Schuhinspektionen der vorbeiziehenden Models und solchen, die es gerne wären.

 

Wir treffen Gudi noch zu Mittag auf einen snack und dann heißts für mich: arrivederci! Erano giorni meravigliosi a milano con voi?

 

Sitze im Bus nach Bergamo und muß immer wieder lachen, weil mir so viele lustige Dinge der letzten Tage einfallen …

 

 

 

 

Was ich heute sonst noch alles beobachtet habe:

 

Man braucht in Mailand gar nicht dinieren zu gehen – ein aperitivo reicht voll und ganz

Nicht jede Bohnenstange ist ein Model

In der Bar vor dem duomo: € 7,– für 2 cafe´ und lustigem Ober

Mein Koffer hat sage und schreibe 18,6 kg!

In Italien fragt jeder jeden alles

Heißt der leiwande Kaffee marocchano? Oder wie?

Mailand ist nicht wirklich eine Touristenstadt

Das Stadtbild ist geprägt von tacchi alti J

 

PS: na bravo! An Bord der Sky Europe wird heute ein „Kußweltrekord“ versucht, wenn du deinen Nachbar küsst, kannst einen Flug gewinnen – ich sitze ganz alleine L

 

 

EPILOGO

 

Ein großes Dankeschön an Gudi, unserem wunderhübschen Mädi (Uschi zu Dorli: „ da ist uns wirklich was Gutes gelungen …“), die uns so liebevoll aufgenommen hat in ihrer gemütlichen Junggesellinnen-Bude, mit der ich mich so wohl fühle, als wäre sie meine kleine Schwester, die uns verwöhnte, die uns so unkompliziert und natürlich an ihrem Leben teilhaben lässt, die uns alle Fragen unerschrocken beantwortet, die über uns und sich selber herzlich lachen kann, die Dinge hasst, die zur Routine werden, die beneidenswert toll so viele Sprachen spricht, die so selbstbewusst durchs Leben marschiert, streckenweise begleitet von einem Mann – der jetzige ist Bussi! – bleib wie du bist, cara Gudi, schön, dich wieder gefunden zu haben!

 

Ein nicht weniger großes Dankeschön an meine Dorli, die unkomplizierteste, spontanste und praktischst denkende Freundin, die ich je hatte, die mich mit Leidenschaft durch Milano begleitete, die mich nicht nur instruierte sondern so oft inspirierte, weil sie so viele Kleinigkeiten bemerkt, abseits der „großen“ Dinge, die liebevoll, chaotische, die es versteht intensiv zu leben, die eintaucht in die Welt und Zeit und Raum vergisst, die lachen kann als gäbe es kein morgen, die im Leben immer ihren Mann steht, obwohl sie zart und zerbrechlich scheint – Dorli, laß uns gemeinsam noch irgendwann ein Pferd stehlen – aber wo stellen wir es hin?????????????????

 

 

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