Romanwerkstatt

9.Jul.2013 von

Am Tag X entscheide ich mich für ein Ensemble in blau: Dreivierteljean, maritimes, gestreiftes T-Shirt und die teuersten Schuhe, die ich je besessen habe: Jeans Ballerinas von Diesel! Nie im Leben hätte ich mir so teure Schuhe gekauft, wenn ich nicht, als Dankeschön für eine Hilfsaktion, einen Salamandergutschein über 100,– „auf´n Schäd´l“ hauen durfte.

Zeitgerecht stand ich auf, erledigte noch den Haushalt, goß die Pflanzen im Garten und telefonierte mit Mutter: „Du, ich muss spätestens um 9.45 Uhr fahren, damit sich alles gut ausgeht! Ich bringe die Tante nach Schwechat und fahre direkt weiter in die Blechturmgasse!“ „Ja, super, geht sich ganz leicht aus! Tante ist fertig, wir spielen gerade Karten …..“

Um 9.43 Uhr rufe ich nochmal an: “ Kannst du ihr bitte sagen, sie soll runterkommen ….?“ „Was heißt runterkommen? Stell dir vor, wir spazieren gerade um den See! Sie ist so tüchtig, die Tante …!“ Ich unterbreche Mutter´s fröhliche Euphorie, indem ich in den Hörer brülle: „Seid ihr meschugge? Ich hab doch gesagt ich fahre um Punkt dreiviertel los, sonst geht sich das nie und nimmer aus ….!“ Ich gebe Gas, fahre ihnen entgegen und sehe, wie Mutter die gehschwache Tante hinter sich herzerrt. Das schlechte Gewissen steht ihr ins Gesicht geschrieben: „Weißt, ich hab keine Uhr mitgenommen und ….“ „Ja, ist schon gut. Wir holen ihre Sachen von oben und dann auf nach Schwechat!“

Hätte mich mein veraltetes Navy nicht noch komplett in die Irre geführt, wäre es sich fast ganz pünktlich ausgegangen! So kam ich ein paar Minuten zu spät in die Blechturmgasse. Ein sehr hübscher Seminarraum mit einigen Möbelstücken aus den 50er, 60er Jahren. Ganz mein Geschmack! Man kann auch den Innenhof zum sitzen, spazieren, schreiben benutzen!

Es gibt Freundinnen, die einen schon bei der Begrüßung von oben bis unten mustern. Ich habe mich in den letzten Jahren schon daran gewöhnt und es ärgert mich auch nicht mehr. Manchmal bin ich noch geneigt zu sagen: „Ja, du siehst richtig, ich trage immer noch die alten Treter, die ich auch schon vor acht Jahren getragen habe“ dann überlege ich es mir und sage nichts. Diesmal, das wohl erste Mal in meinem Leben musterte ich meine Seminarteilnehmerinnen von den Schuhen bis zum Kopf, um beruhigt und glücklich festzustellen ….. hej! Cool, die sind so wie ich! Legerer Kleidungsstil, sogar von Melpomene! Dann kann nichts mehr meinen Schreibtag trüben!

Schon Tage vor dem Schreibsonntag diktierte ich mir im Geiste die Melpomene-Styling-Geschichte, hatte jedoch so viel Arbeit, daß ich nicht dazukam, sie niederzuschreiben. An der Siebdruckmaschine stehend, musste ich ständig mein Kichern unterdrücken, weil ich Freude an der Geschichte hatte, und der Chef, wie man weiß, sehr streng sein kann während der Arbeit! So wollte ich unbedingt am Sonntag die Geschichte niederschreiben und wählte den Zeitpunkt, als es darum ging, eine Art Bildbeschreibung zu machen.

Es fällt mir schwer, Dinge zu beschreiben, die ich sehe. Ich meine zum Beispiel, einen Baum. Ja natürlich könnte ich ihn in allen Einzelheiten beschreiben, das fiele mir nicht so schwer, aber es ist fad. Vielleicht habe ich die Übung auch falsch verstanden …. Ich kürze die Übung auf ein Mindestmass und verfasse hurtig meine Outingstory. Beim anschließenden Vorlesen dieser Texte bin ich zutiefst fasziniert, welche Geschichten die beiden anderen aus dem Ärmel schütteln können: phantasievoll, kreativ und komplett durchdacht!

Ich gehe kurz nach „Innen“ und überlege, welche Art von Schreiberin bin ich denn eigentlich? Kann ich wirklich nur über mich selber schreiben? Ist das nicht zu billig, zu einfach, zu uninteressant? Nein, ich muss unbedingt mal auch eine Geschichte erfinden, es sollte ein Krimi sein ….. meine Gedanken schweifen ein wenig ab und ich beginne bereits den ersten Satz zu diktieren, im Sinne von: „Seine weit geöffneten Augen starrten an die Decke. Langsam tropfte ein Blutstropfen nach dem anderen aus seinem Mundwinkel ……..“ Das Bild, das ich dabei vor Augen hatte, war der amerikanische Nachbar, der seit einem Jahr für eine mehr als mysteriöse Geschichte in meiner Nachbarschaft sorgt …. „Uschi, willst du uns auch deinen Text vorlesen?“ werde ich aus meinen Gedanken gerissen  ….. „Ja, gerne!“

Beim Vorlesen meines Outings geht es ganz lustig zu, Melpomene lacht aus vollem Herzen und meint: „DU warst das auf meinem Blog? Ich sah, daß jemand unzählige Seiten anklickte, überlegte schon, wer das wohl sei …..!“

Wir hatten sehr viel Spaß an diesem Sonntag, es wird sicher nicht der letzte Romanschreibtag sein und beim nächsten Mal: kein Stress beim Outfit!!!!!!

 

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