Der Kater

9.Apr.2015 von

Nachts aufzuwachen stört mich überhaupt nicht. Ich finde es sogar sehr angenehm. Das „Durchschlafen“, das von den meisten Menschen als Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben propagiert wird, wird meiner Meinung nach komplett überbewertet und hat für mich keine positiven Aspekte. Man hat doch vielmehr von der wundervollen Nacht, wenn  man öfter mal bemerkt, dass es rund um einen dunkel und still ist. Würde ich mich abends hinlegen, einschlafen und erst morgens wieder erwachen wollen …..? Nicht vorstellbar. Welch seltsame Verschwendung der Nächte!?

Aber das alles wollt ich ja gar nicht erzählen …. Wie immer erwache ich irgendwann mitten in der Nacht, überlegend, welche Geschichte ich als nächstes schreiben könnte. Einige sind bereits begonnen und warten dringend auf Fertigstellung. Da wäre eine ziemlich umfangreiche über die Mutter :-), über meine musikalische Sozialisierung, über mein chaotisches Einkaufsverhalten, über meine Friseurbesuche oder über meinen Garten.

Ich sinniere, denke, formuliere die ersten Sätze im Geist in der Stille, als sich der freundlichste aller Kater mit Samtpfoten Zutritt zum Schlafzimmer verschafft. Ich kenne jede seiner Bewegungen, wie auch er anscheinend meine kennt. Doch seit kurzem hat er eine Angewohnheit, die ich nicht recht deuten kann. Sanft springt er zu mir ins Bett und kommt zielstrebig auf mich zu. Er stoppt knapp vor meinem Gesicht, sieht mich an, schnurrt mit tiefem, beruhigendem Timbre, hebt seine Pfote, streicht mir ganz sanft über die Wange und erst, wenn ich ihn ebenfalls kurz streichle, kuschelt er sich zu mir und schläft mit einem tiefen Seufzer ein. Das macht er jede Nacht. Ich hab keine Ahnung warum? Vorallem, warum erst jetzt? Was will er mir sagen? Jedenfalls weiß ich nun, welche Geschichte ich schreiben will …..

Kater Frank (Fränk gesprochen) verbrachte seine ersten Lebenswochen in Himberg. Herr R., guter Kunde unserer Firma, ein meistens sehr grantiger und vorallem überaus cholerischer Mann, hatte dennoch einen superweichen inneren Kern und ein riesiges Herz für herrenlose Katzen. Auf seinem Lagerplatz wimmelte es vor Katzen: alte, junge, schwarze, rote, Glücks- und getigerte. Seine Katzenliebe sprach sich sehr rasch herum und man brachte ihm ungewünschte Kätzchen von Nah und Fern vorbei. Alle kastrieren zu lassen, konnte er sich nicht leisten, gab jedoch Unmengen aus für Futter.

Nach dem schmerzvollen Verlust der Katze Yoga war die Familie einig: Kater Figaro, darf nicht alleine bleiben! Es müssen wieder Babys her! Wir machten uns also auf den Weg nach Himberg. Bewaffnet mit einem Katzenkorb und kiloweise Futter. Es war August 2001.

So viele Katzen!! Wir sahen vorallem die großen, die sofort zu den frisch gefüllten Schüsseln liefen: Stolze, Mächtige, Wilde, Zerfurchte und Gefährliche. Plötzlich mittendrin ein kleines, flauschiges Knäuel. Zielstrebig zur Futterschüssel. Mit den Großen läuft er mit, als wär das ganz selbstverständlich. Peng! Ein riesiger Kater verpasst ihm einen Schlag, der ihn durch die Luft wirbeln lässt … zurück zum Start, kleiner, mutiger …. Kater? Katze? Überlegen wir und beobachten, bereits voll verschossen in den Kleinen, was weiter passiert. Er rappelt sich auf, macht sich wieder auf den Weg, als es wie durch ein Wunder zu schütten beginnt. Das ist seine große Chance! Die Riesenkerle laufen alle vom Regen davon, in ihre Europalettenquartiere und der pitschnasse, kleine, wollige Kater hat alle Schüsseln für sich alleine! Er frisst und frisst, als ob er den Regen nicht mal bemerken würde. 🙂

Nicht allzulange allerdings, denn er landet in unserem Katzenkorb! Auch wir flüchten vor dem Sommerregen und vereinbaren, daß wir am nächstenTag nochmals kommen um ein zweites Baby zu holen: der Mann brachte uns schließlich ein winzig kleines Mädchen nach Hause. Bis heute sind wir nicht ganz sicher, ob sie wirklich Geschwister sind, aber der Größe nach dürften sie vom gleichen Wurf sein. Den Kater nannten die Kinder ziemlich rasch „Frank“ nach Frank Drebin=Leslie Nielsen in „Die nackte Kanone“, weil sie meinten, er sei genauso patschert. „Lola“ erhiehlt ihren Namen, weil sie sich tussig und aufreizend an jeden Mann ranmachte!

14 Jahre alt sind sie nun. Lola ist immer noch klein, zart und mit einem Fell, das an einen Seidenteppich erinnert. Männer liebt sie ganz besonders. Lola eben. Sie ist die perfekte Mäusefängerin!

Franky, oftmals auch Flunky genannt (es waren mal Kinder zu besuch, die kein „R“ sprechen konnten 🙂 ) liebt es, mit uns zu frühstücken. Egal, wo er sich gerade befindet, er hört sofort, wenn wir den Tisch decken und steht parat, anscheinend ein frühkindliches Muster! Fressen ist ihm überaus wichtig und seine Rituale rund um die Nahrungsaufnahme sind eine eigene Geschichte wert. Er ist kein perfekter Mäusefänger. Wenn er eine ins Haus bringt, lässt er sie fallen und drei Minuten später hat er sie schon wieder vergessen. Danke Flunky! Er hört ganz genau, wann ich heimkomme. Er kennt mein Auto und läuft mir bereits entgegen, wenn ich noch am einparken bin. Er versteht den Ausdruck „Heia machen“ und läuft schon neben mir her Richtung Bibliothek, wenn ich ein Mittagsschläfchen halten will. Seine Lieblingsplätze im Haus sind die Schmutzwäschetruhe, diverse Zentralheizungskörper, meine Tastatur, wenn ich schreiben will und natürlich alle Arten von Kisten und Schachteln. Er spaziert nächtens zum See. Er kann auch ziemlich kämpfen, wenn es um die Ehre geht, oder um sein Revier? Uns Menschen hat er noch niemals bewusst weh getan. Noch nie gekratzt, oder gebissen. Ganz selten. Sogar wenn ich ihm Medizin verabreichen soll, verhält er sich still und brav, als ob er wüsste, dass es ihm gut tut. Nach einer Tumoroperation ist er Dank unseres Tierflüsterdocs wieder so gut hergestellt, dass er um Jahre verjüngt erscheint …

Vielleicht will er mir das nun jede Nacht mitteilen: „Du, mir geht´s wieder gut! Schlagen wir uns beide die Nacht um die Ohren …?“

 

 

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