Friedhof

3.Nov.2012 von

Um meinen übermächtigen Bewegungsdrang ausleben zu können, lasse ich mich von Gü am Asperner Friedhof bringen. Er fährt wieder heim und ich freue mich auf einen herbstlichen Friedhofsbesuch, mit anschließendem Spaziergang nach Hause. Ich kaufe ein kleines Gesteck für Oma, respektive meine Schwiegermutter und zwei Rosen. Den Weg zu Oma finde ich schon blind, obwohl ich selten herkomme. Au weia, ihr Grab gehört wahrlich nicht zu den hübschesten hier. Nicht ganz verwahrlost, aber auch alles andere, als liebevoll gestaltet. Ich reiße das Unkraut aus und drapiere das Gesteck so, daß ich damit leben kann.

20. November 1992. Unglaublich, es ist schon wieder 20 Jahre her, daß wir sie bei uns im Haus auf ihrer letzten Reise begleiteten. Ich überlege kurz, was seither alles geschehen ist, was sie alles „versäumt“ hat, vorallem mit Nino und Daniel. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die am Grab stehen und mit dem Grabstein ein paar nostalgische Worte wechseln, wie zum Beispiel meine Mutter: „Hallo Heri! Heute ist es kalt, es schneit,…..“

Also spaziere ich weiter, Tränen rinnen mir unaufhörlich über die Wangen und die entgegenkommenden Menschen sehen mich verständnisvoll und stumm an. Die Tränen stammen jedoch nicht von meiner unsäglichen Trauer, sondern sind eines meiner klimakterischen Unnötigkeiten: beim leisesten Wind und kaltem Wetter rinnen Tränen wie Bäche aus meinen Augen. Ich besuche das Grab meiner Freundin Martina, die vor vier Jahren tragisch verunglückte und stecke eine meiner Rosen zu den anderen Blumen in die Vase. Ein paar Erinnerungen kommen hoch, aber sie sind durchaus freundlich und ich muss lächeln.

Wunderschön, so ein Friedhofsspaziergang, ich lese die Namen und Inschriften, entdecke Fotos und ganze Geschichten, überlege wie all diese Menschen wohl gelebt haben und vorallem, was sie zu Lebzeiten über den Tod gedacht haben? Jetzt liegen sie also auch hier.

Mit der letzten Rose in der Hand mache ich mich nun auf die Suche nach Martin´s Grab. Ich weiß nur, daß es ein neuerer Teil des Friedhofes ist, also schlendere ich die Reihen auf und ab, kann jedoch das Grab nicht finden. Ich beschließe, den Friedhofsgärtner zu fragen und gehe in Richtung Ausgang. Da sehe ich plötzlich mitten im Friedhof eine Mini-Rasenfläche mit kleinen Urnengräbern zu einem Halbkreis angeordnet. Ich denke zuerst: aha, das ist vielleicht für Kinder, es sieht so verspielt hübsch aus, ich weiß nicht warum, aber ich hab mich richtig gefreut über diesen Anblick. Dann sehe ich schon das schlichte Holzkreuz von Martin und stecke auch hier die Rose in die Vase. Evelyn hat das sehr gut beschrieben, überlege ich. Sie hat recht, hier ist es wunderschön: an Martin´s Seite, das mit großer Liebe gestaltete griechische Grab von Herrn Lithoxopolous. Mein klimakterischer Tränenstrom rinnt immer noch über meine Wangen, aber ich bin überhuapt nicht traurig, sondern zufrieden!

 

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