Neulich am Berg

31.Jul.2017 von

Die liebe Freundin, die stets an alle und alles denkt, fasst den Plan, den drei „Leih-Enkelkindern“ eine Seilbahnfahrt zu ermöglichen.

„Kommst mit auf die Rax? Die Kinder kennen ja noch keine Seilbahn und einen so hohen Berg haben sie wohl auch noch nie bestiegen?“ fragt sie mich und schon husch ich in den Keller, um einen Mittwochs-Urlaubstag zu beantragen. Der Mann gibt mir selbstverständlich die Urlaubserlaubnis, jedoch nicht, ohne mit erhobenem Zeigefinger zu bemerken: „Die Rax ist ein äußerst gefährlicher Berg! Da dürfts euch nicht spielen! Wenn da ein Gewitter kommt, na serwas! Habt ihr eh alle gute Schuhe und vernünftige Ausrüstung mit?“

Mit innerlich verdrehten Augen, lächle ich ihn äußerlich an, antworte: „Jaja, sicher. Hab alles im Griff! Laufschuhe werden ja wohl reichen … Regenjacke find ich grad keine, aber es ist ur heiß und laut Wetterapp regnet es morgen sicher nicht!“ so packe ich also meinen kleinen Rucksack und stell mir den Wecker auf seeeeeeehr zeitig. Aus meiner Sicht.

Wecker bedeutet natürlich in unserer modernen Welt: das Handy und als es zuverlässig im Morgengrauen mit einer flotten Tanzmusik aufwartet, erschrecke ich so sehr, dass ich mangels Brille wild am Display herumdrücke und erstaunt bin, plötzlich auch noch ein SMS zu erhalten. „Wer schreibt mir so zeitig ein SMS?“ Schlaftrunken reib ich mir die Augen, suche am Nachtkastl die Brille und lese: ‚zuletzt gebuchter Parkschein in Wien: 30 MIN. Parkzeit 19.7.2017 06.00 Uhr bis 06.30 Uhr für das Kennzeichen, blablabla …!‘ Shit. Dank diesem aufmunternden Morgenerlebnis sitze ich bald kichernd in den Öffis Richtung Ottakring, von wo es gemeinsam los geht.

Im schicken Auto gleiten wir gemütlich gen Süden. Die Kinder dösen am Rücksitz und sehen glücklich und ein bisschen aufgeregt drein. Ich persönlich war das letzte Mal auf der Rax geschätzt 1988, oder etwa noch früher und wundere mich, welch großer Andrang bei der Seilbahn herrscht. Ich dachte an einem Mittwoch Morgen ist man ganz allein dort oben?

Die Seilbahnfahrt ist relativ unspektakulär und sogar das Kind mit enormer Höhenangst schafft es locker und ohne Panikattacken auf den Berg. Der Spaziergang zum Ottohaus mit Hunderten Pensionisten ist einfach und gemütlich. Die Sonne brennt herab und kein Wölkchen steht am Himmel! „Bevor wir uns eine Jause genehmigen, marschieren wir jetzt aber noch zum Gipfelkreuz“, beschließen wir einstimmig und machen uns auf den Weg. Natürlich nicht, ohne, dass ich die Freundin darüber in Kenntnis setze, dass ich absolut keinen Orientierungssinn habe und mich garantiert überall verlaufe, vorallem in Wäldern und Bergen.

Was ich bisher allerdings nicht wusste ist, dass sich nur aufgrund meines Beiseins ganze Gruppen verlaufen, auch wenn sie über noch so tolle Orientierung verfügen. Aber ok, der kleine Umweg hat uns allen nicht geschadet. Am Weg zum Kreuz erzähle ich den Kindern, welch Glück wir haben, dass so tolles Sommerwetter herrscht. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie gefährlich dieser Berg wird, wenn ein Gewitter ausbricht! Es geht vorallem von einer Sekunde auf die andere: schönster Sonnenschein und bumm! heftigstes Gewitter … und dann, na serwas, dann wird´s so richtig arg! Aber Gott sei Dank, das erleben wir natürlich nicht heute! Noch dazu mit unserer Touriausrüstung. So wie wir heute geht man eigentlich auch nicht ins Gebirge.“ doziere ich mit vollster Überzeugung. Die Kinder hören aufmerksam zu und sind offensichtlich beeindruckt, dass sie so eine erfahrende und verantwortungsbewusste Begleitperson wie mich mitgenommen haben.

Nach Gipfelkreuzfotos und kurzer Jause, machen wir uns auf den Rückweg, wie gesagt, mit klitzekleinem Umweg durch unwegsames Gelände :-). Im Ottohaus genießen wir dann Grammelknödel mit Sauerkraut und sonstige Schmankerl und als wir uns gerade genüsslich zurücklehnen auf der Aussichtsterrasse, vernehmen wir ein fernes Donnergrollen.

Drei zutiefst erschrockene Augenpaare starren mich an: „Gewitter?“ rufen sie fast gleichzeitig. „Aber nein, das ist ganz weit weg und kommt gar …!“ ich kann den Satz nicht zu Ende sprechen weil wir bereits vor dem ersten Wolkenbruch ins Haus flüchten. „Wir bleiben jetzt einfach hier sitzen und es geht gleich vorüber“, wie eine Gebetsmühle sage ich es mindestens dreimal hintereinander und luge unauffällig aus dem Fenster. Der Regen lässt nach. „Mincael, bitte geh mal vor die Türe und check die Lage!“ Es regnet leichter und wir beschließen, so rasch wie möglich zur Seilbahn zu sprinten.

Mit jedem Schritt werden die Tropfen fetter, der Donner lauter und die Blitze heller. Die Freundin, die an alles denkt, versorgt uns kurzerhand mit riesigen Regenjacken vom ORF, die wir rasch überwerfen. Die Kinder schreien abwechselnd mit ängstlicher Stimme: „Uschi?? Ist es nun das, was du gesagt hast vorhin? Das gefährliche Berggewitter??“. „Aber nein, geh bitte, das bissl Gewitter. Ich LIEHIEBE Gewitter!“ Rufe ich simuliert fröhlich aus voller Kehle ,während ich im Laufschritt die Kinder zur Eile antreibe und angestrengt nachdenke, wie das nochmal war, wenn neben einem ein Blitz einschlägt. Wie soll man da nochmal schnell reagieren … hab´s vergessen. Niederlegen? Unter einen Baum? Ah in eine Grube, oder?

„Wir sind gleich da. Es kann GAR NIX passieren! Es ist ein KLEINES Gewitter und da viel größere Menschen als wir hier unterwegs sind, werden eh die vom Blitz getroffen, weil sie eben viel größer sind, als wir! Oder ihr sucht euch einen groooooßen Baum, wo ihr euch unterstellen könnt“ schreie ich nun schon etwas beunruhigter und leicht hysterisch, weil links und rechts die Blitze nur so daher sausen.

Die Kinder verhalten sich wirklich vorbildlich, rennen wie die Teufel hinter mir her in ihren riesigen ORF bedruckten Regenjacken. Geschafft!! Die Seilbahn ist in Sicht. Außer Atem, aber glücklich sind wir in Sicherheit.

Die Freundin und ich werfen uns heimlich einen vielsagenden Blick zu 🙂

Und der Mann daheim …… „Na bitte!! Was hab ich Dir gesagt …???“ 🙂

 

 

 

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