Schande über dich …

10.Nov.2014 von

… werden alle meine Lese- und Schreibkameraden fluchen, wenn ich Ihnen die Wahrheit des gestrigen Tages schildern werde….

Schon wieder einigermassen entspannt vom großen Geburtstagsbesäufnis im Hause, überlege ich, was ich wohl mit dem wunderschön, sonnigen Sonntag anfangen soll. Selbstverständlich ein kleiner, morgendlicher Dauerlauf mit der Freundin und ein freundlich, fröhliches Spätfrühstück mit dem Mann, der eben vom sonntäglichen Flohmarktbesuch zurückkommt.

„Hab dir heute ein kleines Geschenk mitgebracht!“

„Ui, was denn??“ frage ich neugierig und suche im Zimmer herum, auf der Suche nach …? Ja, keine Ahnung, wonach. Ein wenig aufgeregt greift er in ein Plastiksackerl und fördert einen Karton zutage mit der Aufschrift: Tolino! „Ein ebook Reader vom Thalia?“ meine Augen verfinstern sich und verwandeln sich blitzartig in dünne Schlitze. Ich will ihn nicht verletzen, weil er mich erwartungsvoll ansieht und sage nur “ Ah, cool, dankeschön, ich kann es ja mal versuchen mit dem“ und zeige verächtlich auf das Paket. „Ich musste ihn einfach kaufen, er kostet im Geschäft neu fast 90,– und ich hab ihn originalverpackt um 38,– bekommen. Bei solch einem Angebot stellt sich nicht die Frage, ob man ihn braucht, oder nicht, zur Not verschenken wir ihn dann zu Weihnachten!“

Während er, wie immer, wenn es sich um elektronische Spielzeuge handelt, liebevoll lächelnd das Gerät begutachtet, grüble ich finster vor mich hin: jetzt hab ich so ein blödes ebook Ding, das ich nie und nimmer verwenden will! Ich hasse so eine überkandidelte Technik. Ein Buch ist ein Buch und da geht nichts drüber. Nie im Leben werd ich aus so einem Blechkastel lesen wollen, es sei denn, ich mache eine Weltreise mit dem Rucksack und habe keinen Platz, um Bücher mitzunehmen. Da dieser Traum bis auf weiteres sowieso nur ein Traum bleibt und frühestens in meiner Pension erfüllbar wird, werde ich deshalb KEINEN ebook-Reader brauchen. Nach unseren vielen Jahrzehnten gemeinsamen Lebens hat er meine Gedanken natürlich erraten und meint: „Ja, ich weiß, du hast lieber Bücher, aber versuch es doch wenigstens einmal! Schau, wenn es abends nichts besonderes im Fernsehen gibt, kannst du im Bett damit viel praktischer noch ein paar Zeilen lesen. Mit Licht sogar! Welches Buch würdest du zur Zeit grad lesen wollen?“ fragt er und stöbert im neuen Gerät nach vorgeschlagenen Titeln. „Ok, kaufen wir eines“ gebe ich mich geschlagen und überlege …. Ich will ihm die Freude nicht verderben und entscheide mich für das neue Glattauer Buch ‚Geschenkt‘. Registrierung, Anmeldung, Kauf … Binnen drei Minuten hab ich das Buch im Kasten! „Schau, hier kannst du die Buchstabengröße verändern, das Licht, SO blätterst du um ….“ Ja, ja, hab schon verstanden …. alles in mir sträubt sich! Aber so richtig!

Der Nachmittag vergeht schnell mit verschiedenen Aufräumaktivitäten und genauso schnell verschwinden auch die letzten Sonnenstrahlen am Horizont. Gääähhhn. Die Anstrengung der letzten Tage macht sich bemerkbar, es ist noch so früh, obwohl es bereits stockfinster draußen ist. Deppate Winterzeit! Ich wechsle in meine kleine Bibliothek unter die blaue Decke, flankiert vom Kater und dem Dingsbums Reader. Unbeholfen spiele ich damit herum: Schriftgröße mal so, mal so, Licht … wenig, viel … Seite 1 ….

Nun ist es so, dass ich noch nicht alt bin, aber auch nicht mehr jung. Körperlich fühle ich mich sehr fit, geistig Gott sei Dank auch noch halbwegs brauchbar. Was mich die letzten Jahre allerdings am meisten störte, war meine Schas-Äugigkeit. Im Haus liegen, ohne Übertreibung acht bis zehn Lesebrillen, an allen strategisch wichtigen Punkten: Wohnzimmer, Büro, Bibliothek, Schlafzimmer, Küche, Auto, oftmals gleich zwei nebeneinander, dann noch eine um den Hals, oder ins Haar gesteckt. In der Weite seh ich phänomenal. Wie schon oft erzählt, seh ich auf der Autobahn dahinrasend, alle Greifvögel, Rehe und Hasen am Wegesrand, das Erdäpfelpüree auf meinem Teller jedoch leider total verschwommen 🙁

Brille rauf, runter, rauf, runter, kleine Texte: rauf, Fernseher: runter, Füchse in weiter Entfernung: runter, Suppe mit Nudeln: rauf …… Es nervt ungemein, ist voll ungerecht, gemein und eine Zumutung!

Und jetzt kommt´s und ich trau es mich nur ganz leise sagen: das Lesen wird auch immer beschwerlicher. Die letzten Bücher, die ich las, ur kleine Schrift, ur anstrengend nach 100 Seiten. Ok, nun wisst ihr ja, wie die Geschichte endet …..

Sogar auf´s Häusl hab ich ihn mitgenommen, den kleinen, schnuckeligen Tolino, Seite um Seite „gewischt“ konnte ich ihn und den Glattauer nicht mehr aus der Hand geben, bis ich glücklich und zufrieden bis 22.30 das ganze, neue Buch gelesen hatte! 🙂 Ohne die kleinste Augen Anstrengung verspürt zu haben!

Freunde, ich verspreche hoch und heilig:  ich geh trotzdem diese Woche auf die Buchmesse, greif  alle Bücher an, berühre sie, rieche sie, liebe sie, blättere in ihnen und kaufe auch ganz bestimmt das eine oder andere …. aber vorher lad ich noch ‚Brennerova‘ auf den süssen, kleinen Mausi-Tolino-Schnuckiputzi-Reader 🙂

 

 

 

 

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