Tun-Leiden-Lernen … meinte auch schon Aischylos

23.Jul.2017 von

TUN:

Bis zum heutigen Tag hallen die Worte und Sätze nach, von Aischylos und unserem Burgtheater Stück. Die Aufregung war enorm, so wie die Temperaturen am Tag der Premiere. Alles ist gut gegangen. Viermal gekämpft, viermal gestorben, viermal wieder auferstanden im zweiten Pausenraum, im Juchee der Burg, ganz oben wo sich die Gemälde von Peyman und Co Gute Nacht sagen. Dort oben, wo selbst die Burgtheater Mitarbeiter niemanden mehr vermuteten und daher etliche Interessierte wegschickten mit den Worten: „Durt obn is nix mehr!“

Enttäuschend. Vielleicht wär ja ein Intendant dabei gewesen, der uns vom Fleck weg engagiert hätte zu einer Welttournee.

Das Ensemble ist zusammengewachsen. Liebe, neue Freundschaften sind entstanden, der Vorsatz weiterzumachen war da nur eine logische Schlussfolgerung. Zuerst aber mal Sommerpause, wie alle Theater es machen.

LEIDEN:

Der Sommer gestaltet sich eher anstrengend bisher: Temperaturen, gefühlt wie in Zentralafrika, lassen uns die Nächte durchwachen, lassen uns, wie auch die letzten Jahre über eine Klimaanlage nachdenken und diskutieren. Es wird aber immer daran scheitern, dass ich ein Leben ohne offene Türen und Fenster im Sommer einfach nicht ertrage und mit offenen Türen und Fenstern eine Klimaanlage nicht zu betreiben wäre 😊

Die Katzen schleppen sich tagsüber durchs Haus, fressen wenig und ruhen an Plätzen, die wir am liebsten auch bevölkern würden: am Steinboden liegend, auf den Terrassensteinen, die ich stündlich mit dem Schlauch abspritze, unter der Hängematte im Schatten, in der man faul und verträumt dahinschaukelt.

Natürlich nur in der Freizeit. Faul sind wir beileibe nicht. Im Keller ist es kühl. Man kann gut arbeiten. Fleißig wie die Bienen summen wir da unten herum, produzieren, fertigen, liefern wir den „Honig“, der uns gut ernährt. Sehr oft denke ich darüber nach, wie zufrieden wir sein können mit unserem Leben und unseren Möglichkeiten.

Eine unerwartete Einladung zu einem ganz speziellen Fest verstärkte diese Anschauung noch zusätzlich. Ein Fest, nicht zu den oberen, sondern zu den obersten Zehntausend, versetzte mich eher in Stress, als dass es mich glücklich machte. Dresscode „Cocktail“ war auf der aufwändigen, mit Familiensiegel geplombten Einladung zu lesen. Der Schreck stand mir sogleich ins Gesicht geschrieben: ich und Cocktailkleid? Wo? Wie? Das bedeutet ja auch: Schuhe, Tasche, Accessoires … alles Dinge, die ich nicht besitze und bis dato auch nicht zu besitzen wünschte. Ein erster Hilferuf, den ich an liebe Freundinnen aussandte hatte zur Folge, dass ich unzählige Kleider angeliefert bekam, von Frauen, die anscheinend Erfahrung mit solchen Einladungen hatten, die allerdings auch die passende Figur zu diesen Kleidern aufwiesen. Beim ersten Probierdurchgang merkte ich rasch: nicht für mich geeignet. Zu kurz. Zu eng. Zu üppig. Zu jugendlich. Bis auf ein Kleid gab ich alle wieder retour und auch dieses eine, in Frage kommende, macht mich nicht rundum glücklich, müsste ich doch ständig einen Schal um die Schultern hängen haben, um meine alternden Oberarme nicht herzeigen zu müssen.

Das Schuhproblem war ebenfalls nicht einfach zu lösen. Nachdem eine liebe, mich beratende Freundin meinte: „Du kannst kein Cocktailkleid anziehen, ohne Strümpfe …“ und die nächste, mich beratende Freundin sagte: „Offene Schuhe und Strümpfe sind ein absolutes NO GO!“ stand ich völlig verwirrt im Schuhgeschäft und verfluchte mich und die Welt, jemals diesem Fest zugesagt zu haben.

Ich muss auch noch zur Fußpflege eilen, denn drei Monate barfuß im Garten haben ihre Spuren hinterlassen, die man höchstwahrscheinlich sogar durch die Strümpfe sehen kann.

Als am Tag des Festes die Temperaturen so in den Keller krachten, dass mir sogar die Strümpfe wurscht waren, lief ich dennoch frühmorgens ins Einkaufszentrum und erstand ein leistbares, kleines Schwarzes mit Ärmel. Uff!!!

Neben meinem persönlichen Partystress vergaß ich ganz auf den armen Mann. Ziemlich spät erst war mir bewusst, dass seine Situation noch viel schlimmer war, als meine: Smoking? Dinnerjacket? Kaufen? Leihen? Die Verzweiflung war ihm auch sehr bald anzusehen.

Bis dato hatte sowohl der Mann als auch ich keine Ahnung von Dresscodes. Also stapfe ich in die Herrenabteilung eines Kaufhauses und erkundigte mich, was der Dresscode: Cocktail beinhaltet. Freudestrahlend, bepackt mit neuen Dresscode Erkenntnissen eile ich in den heimischen Keller und erzähle dem Mann ….

„Stell dir vor, du brauchst gar keinen Smoking! Auch kein Dinnerjacket! Es reicht ein dunkler Anzug mit dezenter Krawatte! Juhuuuu! Smokingzwang hieße: Black Tie, Dinnerjacketzwang dagegen: White Tie.“

LERNEN:

Richtig glücklich war ich plötzlich über diese neue Entwicklung und blitzartig denke ich …

Sag mal, spinnst du eigentlich? Du machst dir Gedanken über Stöckelschuhe, Strümpfe, Kleider, Smokings, Stecktücher, Krawatten und Dresscodes, während Millionen Menschen weltweit nichts zu essen haben? Während zigtausende fliehen, flüchten von den Grausamkeiten der Welt, während selbst in deinem wunderschönen Land unzählige nicht wissen, wo sie morgen Geld hernehmen sollen, um ihre notwendigsten Ausgaben tätigen zu können, wo …. Hunderte Gedanken brechen über mich herein und lassen ein sehr trauriges, beschämtes Gefühl zurück.

Das Fest der Feste im Schloss ist vorbei. Der Mann und ich schließen zu sehr später Stunde voller Freude unsere Haustür auf, wo Specki und Chili uns liebevoll begrüßen … raus aus den unbequemen Schuhen, runter mit all dem Flinker, Flunker … Füße am Tisch legen, die Katzen streicheln, noch bisschen tratschen über die Welt der Mächtigen und Reichen.

Danke für unsere kleine Welt ohne Dresscode.

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