„Wir müssen jetzt stark sein, kleine Lola …“

9.Okt.2016 von

Aus allen Himmelsrichtungen eilten sie herbei in dieser verregneten, kalten Welttierschutztagsnacht. Treffpunkt: Vetmed, Notambulanz. Tränenüberströmt sind sich alle einig: das liebste Tier, das wir jemals hatten, soll keine Sekunde leiden müssen. Das Herz gibt auf. Es will nicht mehr arbeiten. Auch unsere Herzen brechen in dieser Nacht ein wenig….

Am Vorabend bei Soap&Skin im Konzerthaus, dachte ich die ganze Zeit nur an Franky, der, als ich wegging, wieder begann, sehr schwer zu atmen. Die Musik war wie eine theatralische Vorankündigung, auf das, was uns am nächsten Tag widerfahren sollte. Ich empfand das Konzert wie ein Begräbnis, eine Seelenmesse, ein heiliges Ritual, aufwühlend, traurig und doch wunderschön.

Am nächsten Tag in der Früh fuhr ich ins Tierspital um ein paar Stunden später angerufen zu werden: „Sie können Franky abholen! Wir haben ihm über 300ml aus dem Thorax gepumpt … es geht ihm sehr schlecht. Wir können jedoch nichts mehr für ihn tun. Sie müssen damit rechnen, dass es jederzeit aus sein kann …“

Den letzten Satz hab ich komplett ausgeblendet, denn ich diskutierte mit dem diensthabenden Arzt, warum er mir nur Tabletten für eine Woche mitgibt für die medikamentöse Therapie.

Daheim will er das Haus nicht betreten. Er läuft sofort in den Garten. Verschwindet irgendwo. Zeit lassen, denk ich, er wird schon kommen. Ist noch gestresst vom Spital. Ich warte. Ich warte. Ich suche und rufe. Er sitzt vor der Tür. Als ich näher komme, läuft er wie in Panik davon. Das erste Mal in 15 Jahren, daß er vor mir davonläuft. Das bedeutet nichts Gutes, denk ich traurig. Die nächsten Stunden bewege ich mich wie ein Geist durchs Haus: leise, ganz leise sein … er braucht Ruhe. Die Terrassentür bleibt offen. Er soll jederzeit rein und raus können.

Dann plötzlich, ein gewohntes Bild: er liegt unter der Wohnzimmerstiege auf der Heizung. „Da bist du ja Franky! Komm her zur Mama …“ unser übliches Wortgeplänkel … ich setze mich am Boden und warte. Mühevoll schleppt er sich zu mir und dann kann ich es schon hören …. in Kombination mit lautem Schnurren, hör ich ein Gurgeln, als ob er wieder voller Wasser wäre.

„Er schafft es nicht!“ tränenüberströmt sitzen der Mann und ich am Boden und beobachten Franky, in der Hoffnung, dass wir uns vielleicht doch täuschen. Aber wir täuschen uns nicht. Wir kennen ihn viel zu lange und viel zu gut. Es geht ihm schlecht. „Er schafft es nicht“ weine ich auch noch ins Telefon, als ich Dani informiere, der sofort ins Taxi springt und auch Nino und Natalie informiert.

Fünf weinende, erwachsene Menschen stehen vor dem kleinen, abgemagerten, lieben, wuscheligen Kater und begleiten ihn zum Tor des Katzenhimmels.

Wie in Trance fahren wir heim. Alles wirkt unwirklich. Schön, dass wir alle gemeinsam hier waren, Kinder! Wir sitzen noch lange zusammen bei uns im Wohnzimmer. Erzählen Katzenerinnerungen und weinen, weinen, weinen …

„Hallo Lola, kleine, liebe Seidenkatze! Dein Bruder ist nicht mehr unter uns. Wir müssen jetzt ganz stark sein!“

Franky, wir vermissen dich unendlich!

 

 

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